Franz Reichelt (zubenannt der fliegende Schneider) Gedenkjahr 2012.

Der österreichische Schneider Franz Reichelt probierte genau vor 100 Jahren, am 4. Februar 1912 den Fluganzug, den er selbst konstruierte, aus: er sprang von der ersten Plattform des Eiffelturms vor aller Öffentlichkeit und vor Kameras herab. Obwohl er vor diesem Unternehmen mehrmals –  jedoch von niedrigerer Höhe – herabsprang, Modellierungen mit Puppen bzw. Berechnungen durchführte, erwies sich sein Versuch endgültig einmalig und unwiederholbar. Der Schneider – zwar nicht wie geplant – schrieb aber durch diese fatale Tat seinen Namen in die Geschichte ein, und er wird in jedem ausführlichen Pariser Reiseführer erwähnt. Reichelts Versuch kann als der Archetyp des Fallschirmspringens oder des Gleitflugs des sogenannten Base-Jumpings auf Batman Art (Fallschirmspringen von festen Objekten) betrachtet werden. (Letzteres ist nicht mit dem Bungeespringen, das mit einem Seil durchgeführt wird, zu verwechseln.)

Trotz seines letzten misslungenen Versuches wird Reichelt heute an zahllosen Orten als der Wegbereiter des frühen Fallschirmspringens erwähnt. Seine Gestalt symbolisiert die eine der größten und immer rückkehrenden Süchte der Menschheit: die Sucht nach der Eroberung der Luft ohne Maschinenkraft, nach der grenzenlosen Freiheit.

Am 4. Februar 2012, während meiner Ausstellung erfolgt das Zentenarium Reichelts Springens. Das Projekt gedenkt dieses Ereignisses, das aus technikgeschichtlichen Gesichtspunkt ziemlich marginal, anderseits aber sehr seltsam war.

Ich fühl mich in diesem Projekt eine authentische Person, da ich sogar in meinen früheren Werken oft Schnittmuster bearbeitete, sie in einem weiten Kontext der bildenden Kunst zu umdeuten versuchte, mich mit ihren geschichtlichen Aspekten beschäftigte. In meinem Projekt versuche ich im Rahmen eines Pseudo-Festes, das das ganze Jahr und später mehrere Orte umgreift, neuere Bedeutungsschichten dieser Problematik zu entfalten.

Ottó Vincze